Donnerstag, 20. Februar 2014

Zufriedenheit und Glück



Hier stehe ich. Mitten in meiner Heimatstadt. Am Knoten der Altstadt. Er ist belebt. Vier Strassen führen zu genau jenem Punkt, an dem ich stehe. Aus allen vier ergiesst sich ein nicht enden wollender Strom aus Menschen. Es sind dutzende. Jede Sekunde erscheinen neue. In der gleichen Sekunde verlassen ihn wieder einige. Es hält sich die Waage. Hier verweilt man nicht, hier passiert man ausschliesslich.

Die Sonne scheint, es ist warm, die meisten Gemüter versprühen Zufriedenheit. Nur ganz wenige prophezeien eine negative Lebenseinstellung.

Ich studiere die Gesichter. Jedes einzelne. So viele wie möglich. Für ein paar Sekunden. Meine Eindrücke ändern sich. Viele sind wohl glücklich ob der strahlenden, sorgenvernichtenden Sonne, der gemütlichen, beruhigenden Wärme. Doch in den vielen Lachen verstecken sich harte, verdeckte Gesichtszüge, die nicht mit Zufriedenheit vereinbar sind. Glück und Zufriedenheit, so ähnlich ihre Art der Empfindung auch ist, so unterschiedlich ist ihre Intensität.

Glück kommt und geht. Von Tag zu Tag, von Minute zu Minute, von Sonne zu Regen oder umgekehrt. Man weiss nicht immer, was einem dieses tolle Gefühl beschert, aber wir sind meistens im Stande, es in vollen Zügen zu geniessen. Glück und Unglück werden dir wie eine Faust ins Gesicht geschlagen. Man kann sich fast nicht dagegen wehren, als wären einem die Hände gebunden.

Anders die Zufriedenheit. Sie schleicht. Lautlos zwar aber gut sichtbar. Sie ändert sich nicht so schnell, sie ist beständig. Sie schlägt auch nicht zu. Zufriedenheit resp. Unzufriedenheit streichelt einem tief in der Seele. In den Grundfesten eines jeden Seins.

Glück ist wie Sex, ein kurzes, gewaltiges Gefühl. Zufriedenheit hingegen ist wie eine Partnerschaft. Sie hält einen über Wasser, wenn das Glück fernbleibt. Man braucht nicht immer glücklich zu sein, man nährt seine Lebensgeister durch grundlegendere Dinge als durch impulsive Orgasmen des Hochgefühls.

Zufriedenheit ist eine Lebenseinstellung, Glück eine Momentaufnahme. Wir feiern das Glück und geniessen die Zufriedenheit.

Jede Person, die an mir vorbeigeht, hat ihre Päckchen zu tragen. Einige leichte, kaum nennenswerte Sorgen, welche das streicheln der Seele nicht beeinträchtigen können. Die sanften Gesichtszüge zeugen wie das Schnurren einer gekraulten Katze von ihrer tiefen, andauernden Genugtuung. Viele glückliche Momente, gepaart mit wenigen negativen Erlebnissen.

Anderen sieht man an, dass ihre Ausstrahlung von einem Extrem ins andere wechselt. Dass ihr tonnenschwerer Ballast  unaufhörlich auf ihnen drückt und sie ihn mit aller Kraft auszubalancieren versuchen. Da hilft das Glück um diesen Ballast zu vergessen. Oft sind die Adrenalinstösse wie eine Droge, die Sorgen und Probleme auszublenden vermag. Dieses Glück ist nicht gestellt. Es ist absolut authentisch. Für diesen Moment. Der nächste könnte aber wieder ganz anders aussehen.

Die meisten Menschen liegen wohl irgendwo in der Mitte. Eine neutrale Ebene der Zufriedenheit mit gelegentlichem Ausschlag in die Extreme des Glücks oder Unglücks!

Ich würde ihn den Menschen gerne abnehmen- den tonnenschweren Ballast, den so viele mit sich rumschleppen, den so viele in ihren Gesichtszügen so offen preisgeben, wenn man nur genau hinschaut.

Die meisten Menschen bestehen nicht aus schwer entzifferbaren Hieroglyphen, viele können durch die angespannte Haltung ihrer eigenen, gezeichneten Ausstrahlung die Rückstände des Seelenlebens anderer Menschen in deren Gesichtern einfach nicht erkennen.

Manchmal lohnt es sich hinzuschauen.

3 Kommentare:

  1. toll be wie emmer sehr fasziniert ond begeisteret vo Dim schriebe.

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  2. Ich habe noch nie so recht über den Unterschied zwischen Glück und Zufriedenheit nachgedacht aber du stellst es sichtlich gut dar. Deine Wortwahl ist atemberaubend. Ja manchmal muss man einfach nur hinsehen, aber in unserer heutigen Gesellschaft fehlt viel zu vielen Menschen der Sinn dafür. Leider.
    Meinen vollsten Respekt für deine schöne Schreibweise und einen Blogaward verleihe ich dir hier: http://napplegpunkt.blogspot.de/

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  3. Nur ganz wenige prophezeien eine negative Lebenseinstellung.
    -auslöschen xxx

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