Donnerstag, 18. August 2011

Armageddon, ein Sommergewitter

Ich sitze da mit Remy und Jeroen auf diesem Floss, so eines wie es in fast jeder Badeanstalt gibt. Es ist 20.00 Uhr. Die Sonne geht langsam unter. Wir sagen nichts, wir geniessen die Stille. Ich schaue zum Himmel hoch, er ist blau. Teilweise rot. Feurig, friedlich. Mein Blick schweift langsam zum Horizont. Ein unglaubliches Bergpanorama bietet sich mir. Hinter den Bergen ziehen ein paar Wolken auf. Die können ruhig noch ein Weilchen warten. Das Ufer des schönsten Sees der Schweiz rundet die ganze Szenerie ab. Die Wälder, die Wiesen, die Felsen. Es ist perfekt. Es kann keinen schöneren Ort auf der Welt geben. Die Alles-Illusion ist so nah.


Nach einer weiteren halben Stunde Beachvolleyball gehts noch einmal zurück ins Wasser. Am Ufer angekommen, kann ich kaum glauben, was ich sehe. Mein Kinnlade muss einige Sekunden in abgeklapptem Zustand verharrt haben. Aus diesen wenigen Wolken hinter den Bergkuppen hat sich eine Wand gebildet. Ach was; eine Mauer, ein schwarzer Wall. Aus dieser Alles- Illusion wurde innert kürzester Zeit ein Armageddon. Es war ein unglaubliches Spektakel. Der Wind peitschte. Die Sturmwarnungen leuchteten um die Wette. Die Blitze zeichneten feine Linien an den Himmel. Der Regen... hat noch nicht eingesetzt. Ich bin mit dem Fahrrad da und möchte nicht unbedingt im strömendem Regen die 20 Minuten nach Hause fahren. Ich wage mich trotz der Blitze noch kurz ins Wasser. Der Sand muss noch weg.

Keine 30 Sekunden später trockne ich mich bereits wieder ab und packe meine sieben Sachen zusammen. Paul kommt mir entgegen. Mit seinem schulbuchmässigen Oxford- Englisch flüstert er leise: "sieht gefährlich aus!" Und wie! Als ob die visuellen Drohungen noch nicht genung bedrohlich gewesen wären, grollt lauter Donner durch Mark und Bein. Schleunigst verlassen wir die Tribschenbadi. Um uns standesgemäss zu verabschieden bleibt keine Zeit. Im Vorbeigehen ein kurzes "Bye" muss genügen und schon schwinge ich mich auf den Sattel. Ein Wettlauf mit der Zeit und gegen das Gewitter beginnt. Es ist noch nicht 21.00 Uhr und trotzdem dunkelt es in Rekordgeschwindigkeit ein. Die Strassen sind wie leergefegt. Einzig die Laubblätter, die durch den Wind durch die Strasse geschleudert werden, beleben die Umgebung. Meine Beine treten so schnell sie können. Nach einem Drittel der Strecke spüre ich den ersten Tropfen. Ich lege noch einen Zahn zu. Wobei es mir nicht nur darum geht, nicht nass zu werden, sondern den Wettkampf gegen das Gewitter zu gewinnen. Ein paar wenigen Menschen begegne ich dann doch noch. Auf der Suche nach einem Unterschlupf rennen sie nervös und teilweise scheinbar orientierungslos durch die Gegend. Ich konzentriere mich wieder auf mein Battle gegen das Gewitter. Ich nähere mich dem Stadtzentrum. Immer mehr Leben macht sich bemerkbar.
Mir fällt ein, dass ich noch kein Abendessen gekauft habe und entscheide mich, einen kurzen Stopp am Bahnhof einzulegen. Diese zwei Minuten müssen erlaubt sein. Ein Sandwich und einen Donut später schwinge ich mich wieder aufs Bike. Der schwarze Wall scheint mittlerweile über uns zusammengebrochen zu sein. Es ist stockdunkel. Zwei Tropfen innert kürzester Zeit. Habe ich verloren? Nein, es war nur eine Warnung, dass ich mich beeilen muss. Es sind nun nur noch ca. fünf Minuten, die ich hinter mich bringen muss. Die Ampel am Bahnhof ist rot, die Zeit aber knapp. Soll ich anhalten? Ich verlangsame und hoffe, dass die Ampel auf grün schaltet und mir die Entscheidung abnimmt. Tatsächlich, ich habe Glück. Ich trete wieder mit voller Kraft in die Pedalen und steuere auf die Seebrücke zu. Die schwierigeste Minute meiner 'Flucht' erwartet mich. Der Wind ist dermassen stark, dass ich meine ganze Konzentration und mein ganzes Körpergefühl benötige, um nicht hinzufallen. Zum Glück ist gerade nicht viel Verkehr. Ein paar weitere Tropfen. Auf meinem rechten Oberarm und auf meinem rechten Unterschenkel. Ich bin bald zuhause. Noch eine letzte Steigung.
Ich überlege mir, dass ich, wenn dies wirklich das Ende der Welt sein sollte, lieber auf dem Floss geblieben wäre. Wo sollte man lieber sein, als an einem Ort, wo die Alles- Illusion noch vor so kurzer Zeit so nahe war? Ein Logenplatz sozusagen.
Ich bin zuhause angekomen. Das Fahrrad habe ich im Veloraum abgstellt, ein letzter kurzer Sprint in die Wohnung. Ich schaffe es nicht mal mehr zum Fenster, bevor der Himmel seine Schleussen öffnet. Es regnet in Strömen. Es war hauchdünn. Ein Kopf an Kopf Rennen sozusagen. Ich muss lächeln.
Keine 5 Minuten später war der Spuk dann aber wieder vorbei. Der Wind hat seine Kraft verloren. Der Regen seine stärke. Dunkel ist es geblieben. Das Gewitter hat seine ganze Macht innert kurzer Zeit verbraucht. Es war faszinierend. Teilweise beängstigend. Aber es war nicht das Ende der Welt. Es war ein Sommergewitter.

1 Kommentar:

  1. Hej, freu mich dass du bei mir vorbeigeschaut hast! :)
    Du schreibst aber viel, muss ich mal in Ruhe deine anderen Posts lesen! ;)

    Liebste Grüße,
    Hanna

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