Dienstag, 6. September 2011

Jetzt mal ehrlich!

Schottland zum Dritten


Ich bin jetzt beinahe eine ganze Woche in Edinburgh und muss gewisse Dinge loswerden...


1.) Dudelsäcke

Als ich in Schottland ankam, ertönte alsgleich die erste Dudelsackmusik. Zwar nur aus den Lautsprechern am Flughafen, aber trotzdem war unverkennbar- ich bin in Schottland. In Edinburgh fand ich dann unzählige Strassen-dudelsack-musikanten. Als grosser Braveheart- Fan kam ich nicht umhin, jeweils anzuhalten und einige Minuten zuzuhören. Ich war dann auch immer sehr grosszüig und warf ihnen einige Pfund in die dafür vorgesehenen Behältnisse. Am zweiten Tag spielten sie immer noch. Ich hatte das Gefühl, es waren sogar einige mehr. Trotzdem bekamen alle wieder etwas Geld von mir. Sie war ja so schön, diese Dudelsackmusik. Am dritten Tag genoss ich ebenfalls ihre Musik. Es schienen aber wieder einige mehr geworden zu sein und da ich langsam Angst hatte, dass mir das Geld ausgeht, wenn die sich weiterhin so stark vermehren, beschloss ich, ihnen kein Geld mehr zu geben. Am vierten Tag, und glaubt mir, die vermehren sich schlimmer als die Karnickel, fing die grelle Musik der Dudelsäcke langsam an etwas zu nerven. Also begann ich langsam, sie zu ignorieren... es gelang mir nicht. Am fünften Tag wurde mir klar- die vermehren sich nicht schlagartig, die sind einfach wirklich ÜBERALL. Man kann sich dem grellen, schrillen, quitschenden "Klang" einfach nicht entziehen. Und ich Dummkopf habe sie mit etlichen Pfund auch noch dazu ermuntert weiterzuspielen, ja vielleicht sogar, lauter zu spielen. Ich könnte die CD von Braveheart stundenlang auf und ab hören, aber glaubt mir, die hat nichts mit derjenigen gemein, die hier auf den Strassen Edinburgh' gespielt werden. Das ist einfach nur eine sinnlose Anreihung quälender Laute, die sich Takt für Takt unsanft in deine Gehörgänge hämmern. Jetzt mal ehrlich, liebe Schotten, wie haltet ihr das aus?


2.) Stil

Als grosser Irrtum der Weltgeschichte glaubt man, dass Geschmäcker verschieden sein können. Nun ja, für ein gewisses, sehr kleines Toleranzfeld mag das stimmen, aber was die Kleidergewohnheiten der Briten angeht betimmt nicht. Nein, unmöglich! Farbkombinationen der untersten Güteklasse, Kleidchen so kurz, dass man es getrost als T- Shirt bezeichnen kann, Röcke noch kürzer, die man als Gurt verkaufen könnte. Wengistens Strumpfhosen? Fehlanzeige! Weiter ins Details möchte ich jetzt diesbezüglich nicht gehen. Bauchfrei bei gemessenen 8 Grad Celsius. Frisuren, die hätte ein Vogel nicht besser hingekriegt. Bei all diesen (un)möglichen Kleiderkombinationen spielt im Übrigen auch keine Rolle, ob die Damen 60, 100 oder 200 Kilogramm wiegen. Betittelt mich als böse, als bitter oder von mir aus auch als bitterböse, aber dieser Meinung sind alle nicht-Briten, die ich angetoffen habe (am schlimmsten traf es die so stilsicheren Franzosen). Die Herren der Schöpfung haben es da viel einfacher. Jeans und irgendein Flanellhemd oder ein grauer Rollkragenpulli und fertig. Ah ja, noch ca. einen Liter au de cologne, aber dann kanns losgehen. Muotathaler Dorffeste sind im Vergleich wahre Fashionpartys. Nun gut, ich übertreibe. Aber wirklich nur ein wenig. Eine solche gesamtkulturellere Geschmacksverfehlung habe ich zumindest zuvor noch nie erlebt. Jetzt mal ehrlich, liebe Briten, reisst euch ein wenig zusammen.


3.) Geld

Ihr habt ja wirklich schönes Geld, liebe Schotte. Doch, ich muss zugeben, dass mir eure Noten gefallen. Eure Münzen, so unterschiedlich gross und dick sie jeweils auch sind, haben ebenfalls einen gewissen Charme. Und trotzdem ärgere ich Massloss. Über eure Preise vorallem. Warum kostet hier so extrem vieles fünf Pfund und ein paar zerquetschte pence? Oder zehn Pfund und ein paar zerquetschte oder 15 Pfund und... ich glaube ihr habt verstanden, vorauf ich hinaus will. Man bekommt immer fast das maximalmögliche an Münzen zurück. Und wenn man, wie ich, eure Münzen noch nicht auswendig kennt (2 Pence sind zum Beispel um einiges grösser als 20 Pence und sehen auch wertvoller aus) bezahlt man halt lieber mal mit Noten. Das Ergebniss ist, dass man unzählige dieser schweren Münzen mit sich rumschleppt, damit die Dudelsackblaser "füttert", diese durch die Belohnung lauter spielen und man selber verrückt wird... na vielen Dank. Jetzt mal ehrlich liebe Schotten, das macht ihr absichtlich, nicht?


Nun denn - der Blog geht noch weiter - wenn ihr eine Pause benötigt, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt!


Meinen ersten Blog wollte ich eigentlich mit folgendem Satz beginnen: "Ich bin im Harry Potter- Land!". Dies, weil ich täglich zehn Herimne gesehen und zehn Ron getroffen habe. Ja sogar Harry glaubte ich einige male gesehen zu haben. Zudem hätten einige der imposanten Häuser wunderbar als Hogwards Schule für Hexerei und Zauberei herhalten können.

Edinburgh ist aber mehr als das. Die Stadt und die Menschen, die darin leben, lassen sich nicht in diese Bandreihe pressen. Die Stadt ist Geschichte. Lebende, leibhaftige Geschichte. Männer laufen in ihren Kilt umher (ohne etwas darunter, versteht sich, sonst wäre es, so versicherten sie es mir, ein Rock!), sie verkleiden sich als William Wallace, als Robert de bruce. Frauen laufen in langen, prachtvollen Kleidern umher. Zu Hochzeiten haben sie ihre Hellebarde und Langschwerter dabei. Natürlich gilt vieles, um den Touristen eine perfekte Atmosphäre zu verschaffen, aber ich bin überzeugt, dass die Schotten auch ohne uns ihre Traditionen leben würden. Dass sie an den Aktienmärkten in ihren Kilts um die Wette spekulieren würden, dass sie ihre mittelalterlichen Waffen nicht entsorgen würden. Edinburgh ist stehengeblieben, in vielerlei Hinsicht, hat aber nie den Anschluss verloren.


Edinburgh riss mich hin und her. Unsanft von einer Ecke in die Nächste. Von *toll* bis *total überbewertet*. Es war vor zwei Tagen, als ich im Holyrood Park (diesen Anfängen der Anfänge der ... der Highlands) das Feuerwerk bestaunt habe; das Schloss, dieses toll beleuchtete Schloss, die Musik aus den Radios, welche einige mitgebracht haben, die sonstige stille, der greifbare Stolz der Schotten... vor zwei Tagen habe ich mich in einer Ecke festklammert. "Toll". Es war nicht ein einziger Moment, es war die Summe aller Momente, die der Abend bietete. Das gemiensame hochsteigen auf den Berg. Wildfremde Menschen boten mir ihre Taschenlampe an, boten mir eine Sitzgelegenheit (da ich als dummer Touri keine Sitzdecke mitgenommen habe). Es war die gemeinsame Glückseligkeit, die sich wie eine sanfte Nebeldecke ausbreitete. Es war die spürbare Dankbarkeit, die jeden zu erfassen schien und schlussendlich war es auch der gemeinsame Abstieg. Die meisten Schotten, ob jung oder alt spielte keine Rolle, fielen etliche male hin aufgrund des nassen Untergrunds und der tükischen Dunkelheit. Jedes mal verfiel die Gruppe in ein kollektives Gelächter. Da ich kein einziges mal hinfiel, wurde ich gefragt, was ich denn anders mache. Ich verstand aber im ersten Moment, woher ich komme, ich antwortet wahrheitsgetreu "from Switzerland". Von da an war für ihn klar, dass ich mich ja mit Bergen auskenne und dies der Grund dafür sein müsse. Von diesem Moment an waren wir Freunde und er lud mich auf ein Guinnes ein. Spätestens dies war der Moment, als Schottland und ich ebenfalls Freundschaft schlossen.


Schottland... Edinburgh hat mich gepackt. Ich fühle mich wohl hier. Ähnlich wie in Kanda und viel mehr als in den USA, Frankreich, Italien etc. Morgen reise ich ab. In aller Früh fliege ich und werde mich von Edinburgh verabschieden müssen. Schweren Herzens. Ich werde mit Bestimmtheit wieder kommen und ich werde mich freuen. Auf die Dudelsack- Musik, auf ihre Art sich zu kleiden, auf die Tatsache, dass sie wohl die lautesten Menschen auf dieser Erde sind, auf ihr Geld, auf ihre unmögliche Art "italienische" Pizza zu machen...


Daniel Glattauer hat mich gelernt, dass Ende nicht gleich ENDE bedeutet. Also- bis zum nächsten Mal!


Ende

Freitag, 2. September 2011

Geht die Welt noch kleiner?

schottland zum Zweiten


Wie klein die Welt doch ist. Da gibt es so viele Städte a) in Schottland, b) in Grossbritanien, c) in Europa und nicht zuletzt d) auf der Welt. Und ausgerechnet in Edinburgh, einer nicht unbedingt bedeutdenden Tourismus- Stadt, treffen sich zwei Luzerner, die sich zuvor in Luzern, einer Provinzszadt im Vergleich zur Hauptsadt Schottlands, noch nie (bewusst) über den Weg gelaufen sind. Kevin (aka: "ech ha ehre tüüf id Auge gluegt") besuchte also zur gleichen Zeit, das gleiche Hostel (und davon hat es hier sehr veile) und dazu noch das gleiche Zimmer wie ich. Natürlich mussten wir diesen Zufall gebührend feiern und haben uns ohne Umweg in die Edinburgh'er Nachtszene geworfen. Na ja, der Teil mit "ohne Umweg" stimmt so nicht ganz. Unser Ziel war wohl klar definiert, aber eine passende Bar zu finden, stellte sich als äusserst schwierig heraus. Wir liefen wohl mehrere Stunden (!) durch Edinburgh, bevor uns der Hunger ins Nuudel- Haus (Noodle House) verschlug. Dort halfen uns dann drei nette, junge Frauen, ein angenehmes Lokal mit anständiger Live- Musik zu finden. Den Rest des Abends, die Geschichten der angsteinflössenden Ramona aus Griechenland/Serbien/Russland/Iran/Irak/Ukraine/Weissrussland (running gag ;)) etc. lasse ich mal vorsichtshalber weg...


Den gestrigen Tag haben wir uns dann in die Anfänge der Highlands gewagt. Na ja, in die Anfänge der Anfänge der ... Unmittelbar vor der Stadt sind ein paar kleine Hügel, die allerdings bereits die unglaubliche Schönheit der "echten" Highlands erahnen lassen. So ähnlich wie die Schweizer Bergen und trotzdem so total anders. Dunkel, farblos und trotzdem weich und elegant. Ob ich mich noch weiter in das Hochland wagen werde, wird sich zeigen. Je nach Lust und Laune und nicht zuletzt nach Möglichkeit. Kevin ist heute dann weiter Oslo. Viel Spass, Junge!


Und heute dann tatsächlich, der Beweis: die Welt geht noch kleiner. Durch Edinburgh schlendernd werde ich plötzlich von hinten angestupst. Zuerst dachte ich, es sei einer dieser WWF- Typen, von denen hat es zu dieser Zeit gewimmelt. Als ich mich dann, nachdem ich mir eine "sorry, ich verstehe ihre Sprache nicht"- Taktik ausgedacht habe, umgedrehte, blickte ich jedoch in ziemlich vertraute Gesichter. Zwei meiner Nachbarn standen vor mir. Aus Luzern. Zwei von den gut 75'000 Einwohnern stehen plötzlich einer Metropole, welche ohne Touristen schon knapp eine halbe Million Menschen beheimatet, am anderen Ende des Kontinents, vor mir. Zufälle gibts.


Da ich mich eigentlich vor den "must see- Attraktionen" hüte, war ich etwas skeptisch, als ich das Castle, das Wahrzeichen der Stadt, besuchte. Als Geschichts- Freak kam ich aber so oder so nicht darum herum und da mir Chrissie den Eintritt zum Geburtstag schenkte, blieb mir auch noch das lästige Anstehen erspart. Über das Schloss gibt es viele Meinungen. Meine Meinung ist allerdings stark beeindruckt. Da viele Teile des Schlosses seit Jahrhunderten bestehen, ist für mich das Gefühl, dass genau an jenem Platz, an dem ich jeweils stand, vor langer Zeit Geschichte passiert ist und geschrieben wurde tiefgehend und mitreissend. Natürlich sind überall Tafeln aufgehängt, Hinweisschilder montiert und Lautsprecher befestigt, teilweise zerstören sie mehr, als dass sie an Atmosphäre schaffen, aber im Grossen und Ganzen ist die moderne Einwirkung in die spannende Geschichte durchaus gelungen.


Geschichte ist meist romantisch. Sieger und Erfolge brachten ihren Helden und dem Vaterland Ehre und Stolz. Romantik pur. Man darf nicht vergessen, dass Sieger auch immer Verlierer mit sich ziehen. Oft genug hat Geschichte mehr Tragik erlebt als heroische Siege feiern können. Die Schreie, das Leid und die Qual aus den Kerkern sind verschwunden. Geblieben sind faszinierende, leere Räume, in denen undenkbare Dunkelheit und Schmerz den Alltag bildete. Wir können die Kerker jederzeit wieder verlassen, zu viele konnten das nicht. Auf den Schlachtfeldern von Falkirk und Sterling (welche ich auch noch besuchen will) ist das Blut, welches den Boden tränkte, längst verschwunden, die Kampf- und Schmerzschreie verstummt, Heldensagen sind entstanden, denn Sieger hat auf beiden Schauplätzen gegeben. Sieger hat es immer gegeben, denn ohne sie ensteht keine Geschichte. Zu wenige haben diese Schlachtfelder aber wieder lebend verlassen, zu viele haben alles -ihr Leben- verloren. Ich halte jeweils einen Moment inne, wenn ich solch geschichtsträchtige Orte besuche, denn sie zeigt nur allzu oft, wozu wir Menschen fähig sind. Im Guten wie im Schlechten...



P.S. Als Highlite des Tages (nebst der Erkenntniss, dass die Welt immer kleiner wird), kann ich getrost erzählen, dass ich es geschafft habe, mich in einem Bahnhof, welcher etwa einen fünftel so gross ist wie jener in Luzern, hoffnungslos zu verlaufen. :)